Auf Nachfrage verfasste ich gestern eine kurze informelle Zusammenfassung meiner Eindrücke von Prag – was für ein wunderbarer Vorwand, um endlich meinen eigentlich schon länger geplanten (englischsprachigen) Reiseblog ins Leben zu rufen. Auch wenn dieser Beitrag eigentlich überhaupt keinem Blogeintrag entspricht, so wie ich ihn mir vorstellen würde – nun ja, der Zweck heiligt die Mittel. Without further ado: Mein erster Blogeintrag – mögen viele weitere folgen.
Vorweg die Eckdaten: Zum ersten Mal in Prag, als Aufenthalt auf der Rückreise von Chemnitz von 11:26+11 bis 18:50. Unterwegs in Prag war ich mit ÖV-Tageskarte, quasi ohne Plan und ohne Ziel.
Der allererste Eindruck: Praha hl.n., der Hbf – architektonisch ansprechend, aber im Vergleich zu Hbf ostdeutscher Städte nicht unbedingt hauptstadtwürdig imposant. Sehr gelungen fand ich hingegen die modernen Zwischenstockwerke zur Metro und zum Vor-Vorplatz.
Nicht der eigentliche Hbf, aber vielleicht der Hbf der Herzen: Praha Masarykovo Das Zwischengeschoss des eigentlichen Hbf
Die Metro-Stationen und -Vorplätze fand ich – mit einigen Ausnahmen hauptsächlich auf der Linie A – atmosphärisch enttäuschend, und wie die Stadt insgesamt doch etwas heruntergekommener als gedacht. Die Metro-Züge wirken eher kurz; unverständlicherweise ist selbst die neuere Generation ohne open gangway (durchgängige Wagenübergänge) ausgeführt. Die Intervalle sind auch am Sonntag sogar bis am Abend ziemlich attraktiv (nie > 6 Min.), wobei ich das DFI auf den Bahnsteigen sehr unpraktisch fand (einzeilig mit viel zu langer Rotation, bei der die ETA nur einmal vorkommt). Wie in Osteuropa üblich besteht anscheinend (Anzeige beim Bahnsteiganfang, vor wievielen Minuten der letzte Zug abgefahren ist) headway adherance (vorgegebene Intervalle) statt schedule adherance (vorgegebene Abfahrtszeiten) – davon bin ich zwar kein wirklicher Freund, die Praxis hat aber durchaus ihre Befürworter. Das Metro-Netz besteht aus eher wenigen Linien, ist dafür jedoch sehr weitläufig.
Die Metro-Stationen Staroměstská … … und Hradčanská auf der Linie A Typischer Prager rotierender DFI-Anzeiger mit Minuten und Sekunden bis zur nächsten Abfahrt
Das Tram-Netz weist sehr lange Stationsabstände auf, und dürfte hinsichtlich Open Data fehlerhaft integriert sein (liegt möglicherweise auch an Apple Maps, mir wurde jedenfalls öfters angezeigt, dass einzelne Linien erst wieder am Mo verkehren, obwohl sie real auch am So unterwegs waren). Erstaunlicherweise gibt es überhaupt kaum DFI-Anzeiger an den Haltestellen, und wenn welche vorhanden sind, dann sind sie meist nur aus sehr kurzer Distanz lesbar. Die Stationen selbst sind oft viel, viel zu schmale Bahnsteige auf der Mitte der Straße, die zum MIV hin nicht gesichert sind. Teilweise ist ein Fahrgastunterstand am Gehsteig neben der Straße vorhanden, der Weg über die Straße ist in solchen Fällen aber dennoch ebenso ungesichert. Auch die neuesten Skoda-Trams waren innen sehr heiß – alle hatten geöffnete Fenster, bei manchen Skoda 15 T stand dann auch dabei, dass dadurch die Kühlungswirkung beeinträchtigt werde. Die Vertaktung ist gefühlt attraktiv, die Netzabdeckung weitläufig. Metro und Tram sind beide sicherlich grunds. durchaus effizient, insgesamt aber mMn nicht sonderlich spektakulär – abgesehen davon, dass ich auf der Tram gefühlt alle paar Minuten irgendwo einen Nostalgietriebwagen sowie einmal einen sehr interessanten Coupé-Wagen angetroffen habe.
Die nächste Abfahrt? Theoretisch vom Monitor ablesbar … Viele Tram-Haltestellen sogar im Zentrum bestehen aus derartigen Bahnsteigen Tolle Idee für die Sommermonate: Die T3 Coupé-Tram
Spektakulärer fand ich da die Esko (S-Bahn), einerseits weil die Tschechen Vollbahnbetrieb einfach drauf haben (mit Ausnahme der sehr späten Bahnsteigankündigung im Fernverkehr, an der auch ich selbst leiden musste), andererseits weil sie schnell (wenn auch nicht immer ideal mit dem sonstigen Stadtverkehr verknüpft) auch eher ländliche Bahnhöfe an die Stadt anbindet. Ich hatte das zwar schon zuvor anderswo gesehen, das separate Öffnen von linkem und rechtem Türflügel mit zwei Tasten beim CityElefant ist aber wirklich mindblowing.
Die S-Bahn-Station Praha Veleslavín, Umsteigeknoten zu Metro, Tram und Bus
Kurz zur Stadt selbst: Insgesamt erscheint Prag wie erwähnt auffalend weniger herausgeputzt als gedacht (auch im Vergleich zu bspw. Brno). Geografisch ist die Stadt jedenfalls sehr interessant gelegen – mehrmals ergab sich unerwartet (also nicht nur von erkennbaren Bergen aus) von unterschiedlichsten Orten plötzlich eine wirklich tolle Aussicht über weite Teile der Stadt. Extrem beeindruckend fand ich das Viertel innerhalb der sg. Prager Kleinseite am Fuße der (auch eher unspektakulären) Standseilbahn, mit den engen Gassen mit Tram und einigen wirklich traumhaft schönen Plätzen.
Mistkübel-Stillleben neben dem Prager Metronom
(Disclaimer: Gut möglich, dass mein Gesamteindruck von den dann doch ziemlich unerträglich heißen Temperaturen getrübt wurde ^^.)
Der Prag-Aufenthalt war der fünfte und letzte Tag meiner ‘Fernostrunde’, zu den Eindrücken der vorhergehenden Tage in Sachsen und Thüringen siehe diesen Thread auf Twitter.